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Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Geographie des Deutschen Reiches - S. 39

1898 - Wittenberg : Herrosé
— 39 — Deutschland in Wissenschaft und Kunst mit an der Spitze der gebildeten Völker steht." „Die Grundzüge des deutschen Volkscharakters sind: aufrichtige Frömmigkeit, Treue und Biederkeit, Anhänglichkeit an den angestammten Regenten, Tapferkeit, Besonnenheit, Beharrlichkeit bei Verfolgung eines ge- steckten Zieles und ernste, gründliche Beschäftigung mit Wissenschaft und Kuust." 6. Verfassung und Ginteilnng. Seit 1671 ist das „Deutsche Reich" ein Bundesstaat, an dessen Spitze der König von Preußen steht, welcher den Titel „Deutscher Kaiser" führt. Die Kaiserwürde ist erblich. Der Kaiser hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, sowie Bündnisse und Verträge mit anderen Reichen einzugehen. Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt von dem Bundesrat, welcher aus Vertretern der einzelnen deutschen Staaten besteht, und dem Reichstage, der aus etwa 400 vom Volke gewählten Abgeordneten zusammengesetzt ist. Der höchste Beamte des Reiches ist der Reichskanzler. Das Deutsche Reich besteht aus 26 einzelnen Staaten, nämlich 4 Königreichen, 6 Großherzogtümern, 5 Herzogtümern, 7 Fürstentümern, 3 Freien Städten und dem Reichsland Elsaß-Lothringen. (Merke: 1 Reichs- land, 3 Freie Städte, 4 Königreiche, 5 Herzogtümer, 6 Großherzogtümer, 7 Fürstentümer.) Vi. Die Staaten des Deutschen Reiches. 1. Das Königreich Preußen. (6300 ^Meilen oder 348500 qkm und 32 Mill. Eimv.) Preußen ist der größte Staat des Deutschen Reiches und nimmt den größten Teil Norddeutschlands ein. Es bildet eine zusammenhängende Fläche, von welcher mehrere kleine Staaten eingeschlossen sind. Getrennt vom Haupt- lande gehören noch die in Süddeutschland gelegenen Hohenzollernschen Lande dazu. Es zerfällt in 12 Provinzen. 1. Die Provin) Ostpreußen (670 ^ Mln. oder 37000 qkm und über 2 Mill. Einw.) ist die nordöstlichste Provinz Preußens. Sie um- faßt das Küstenland am Kurischen und Frischen Haff und grenzt an die Ostsee, an Rußland und die Provinz Westpreußen. Sie ist zum großen Teile eben, wird aber von dem Baltischen Landrücken, welcher die oft- preußische Seenplatte trägt, durchzogen. Das Klima ist gesund, aber rauher, als in irgend einem anderen deutschen Lande. Der Boden ist größtenteils sandig und unfruchtbar. Weite Strecken sind mit Wald be- standen. Der größte Wald ist die Johannisburger Heide im südlichen Teile der Provinz. Im Memeldelta liegen außer üppigen Wiesen auch sumpfige Wälder, in denen der Elch gehegt wird. Die Haupterwerbsquellen der Bewohner sind Ackerbau und Viehzucht, an der Küste auch Fischerei. Sehr fruchtbar ist die Tilsiter Niederung (westlich von Tilsit). Der nord- östliche Teil Ostpreußens heißt Litauen. Die Litauer haben eine eigene Sprache, sind wahrscheinlich slavischen Ursprungs und treiben namentlich Pferdezucht. In ihrem Gebiete liegt auch das königliche Pferdegestüt Trakehnen.

2. Lesebuch für die reifere weibliche Jugend - S. 21

1913 - Wittenberg : Herrosé
21 sich nicht als Eigentümer des Quittungsbuches ausweisen kann. Das Buch ist kein Wertpapier, sondern nur eine Anerkenntnis der -Kasse dem Sparenden gegenüber. Deshalb müssen alle Rechte aus dem Buche in glaubhafter Form übertragen werden. Auch kann der ursprüngliche Eigentümer dem neuen Erwerber insofern die Erlangung der Einlage unmöglich machen, als er bei der Kaffe Zahlungseinsprüche erhebt oder das Quittungsbuch „sperren" läßt, d. h. die Kasse beauftragt, einstweilen oder auf eine bestimmte Zahl von Jahren keine Zahlung aus der Einlage zu leisten. Wer in die Lage kommt, ein Sparkassenbuch als Sicherheit an- nehmen zu müssen, unterlasse wenigstens nicht, von seinem Recht der Kasse Anzeige zu machen, unter gleichzeitiger Vorlage einer rechtsgültigen Erklärung des bisherigen Inhabers des Buches, wonach dieser sich aller Ansprüche aus demselben einstweilen be- gibt. Rückzahlungen der Einlage werden bei kleinern Beträgen sofort gegen Vorweisung des Quittungsbuches, bei größern Summen nach vorhergegangener (gewöhnlich dreimonatlicher) Kündigung geleistet. Von Zeit zu Zeit ist es vorgekommen, daß falsche Gerüchte vom Ausbruch eines Krieges an verschiedenen Orten Deutschlands einen sinnlosen Ansturm auf die Sparkassen verursacht haben — sinnlos, weil die Gelder nicht gefährdet waren, auch im Kriegsfall, selbst bei einem feindlichen Einfall nicht gefährdet gewesen wären. Rach der neuerdings durch das Haager Schiedsgericht ausdrücklich festgelegten völkerrechtlichen Anschauung gilt in: Kriege Privat- eigentum als ebenso unantastbar, wie z. B. alles das, was unter dem Schutze des Roten Kreuzes steht. Alle Sparkassengelder aber sind Privateigentum, das keine zivilisierte Nation schon allein um ihres Ansehens willen anzutasten wagen würde. Wenn aber schon das Privateigentum fremder Nationen als solches respektiert wird, wieviel mehr erst das der eigenen Volksgenossen. Deshalb muß es als der größte Unsinn bezeichnet werden, wenn jemand der Ansicht ist, der Staat könnte die Sparkassengelder mit Beschlag belegen und zum Kriegführen benutzen. Um für Deutschlands Ehre dauernd und mit Nachdruck eintreten zu können, braucht und hat unsre Regierung für die Leitung und Durchhaltung der deutschen Wehrkraft so viel Kredit, daß sie der Sorge um ungeheure Summen baren Geldes im Kriegsfälle überhoben ist. Darum bleiben alle Sparkassengelder aber auch in unruhigen Zeiten am besten dort aufgehoben, wo sie sind: in den Sparkassen, für die je nach ihrer Art die Stadt, der Kreis, die Provinz, der Staat Gewähr leistet. Um. in den Kindern den Trieb der Sparsamkeit zu erwecken und zu pflegen, bestehen an vielen Orten die sogenannten Schul- sparkaffen. Für jede, auch die geringste Einzahlung wird dem Kinde eine Marke in ein Buch eingeklebt. Sobald der Wert der Marken die Höhe von einer Mark erreicht, wird er dem Kinde gutgeschrieben und zur Verzinsung an die Kreiskasse abgeführt.

3. Staats- und Bürgerkunde - S. 112

1910 - Wittenberg : Herrosé
112 Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung der Reichstag versammelt werden. Artikel 26. Ohne Zustimmung des Reichstages darf die Vertagung desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden. Artikel 27. Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet darüber. Er regelt seinen Geschäfts- gang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer. Artikel 28. Der Reichstag beschließt mit absoluter Stim- menmehrheit. A r t i k e l 29. Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter des gesamten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht ge- bunden. A r t i k e l 30. Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend- einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes getanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden. Artikel 31. Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Unter- suchungs- oder Zivilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode auf- gehoben. Artikel 32. Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung beziehen. Sie erhalten als solche eine Ent- schädigung nach Maßgabe des Gesetzes. Vi. Zoll- und Handelswefen. Artikel 33. Deutschland bildet ein Zoll- und Handels- gebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundes- staates befindlich find, können in jeden anderen Bundesstaat ein- geführt und dürfen in letzterem einer Abgabe nur insoweit unter- worfen werden, als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer unterliegen. Artikel 35. Das Reich ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundes- gebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder anderen inländischen Erzeug- nissen dargestellten Zuckers und Sirups. In Bayern, Württemberg und Baden bleibt die Besteuerung des inländischen Branntweins und Bieres der Landsgesetzgebung vorbehalten. Artikel 36. Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern (Art. 35) bleibt jedem Bundesstaate, soweit der- selbe sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen. A r t i k e l 38. Der Ertrag der Zölle und der anderen in

4. Staats- und Bürgerkunde - S. 62

1910 - Wittenberg : Herrosé
62 eine Reihe von Beschränkungen waren, die der Polizeigewall einen weitgehenden Einfluß auf die Versammlungs- und Vereinstätigkeit gestattete, ist durch das Reichsvereinsgesetz die Freiheit bedeutend erweitert. Alle landesgesetzlichen Beschränkungen sind aufgehoben und das Bereinsrecht auch den Frauen eingeräumt. Beschränkungen erleiden nur noch die Veranstaltungen, welche mit einer Gefahr- für Leben und Gesundheit der Teilnehmer verknüpft sind. Auf- gelöst werden nur solche Vereine, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft. Vereine, welche eine Einwirkung auf politische Angelegen- heiten bezwecken, müssen einen Vorstand und eine Satzung haben. Mitglieder des Vorstandes und die Satzungen sind innerhalb 14 Tagen nach der Gründung der Polizeibehörde einzureichen, die eine Bescheinigung darüber erteilt. Ebenso sind alle Änderungen der Statuten anzuzeigen. Satzungen und Änderungen müssen in deutscher Sprache abgefaßt sein. Wenn in Wahlzeiten eine Gruppe von Leuten zusammen- tritt zur Förderung der Wahl, so ist das kein politischer Verein. Jede politische Versammlung muß entweder 24 Stunden vorher der Polizeiverwaltung angezeigt, oder durch öffentliche Anzeige in der Zeitung oder durch Anschlag bekanntgegeben sein. Zeit und Ort der Versammlung sind genau zu bestimmen. Besprechungen zu Wahlzwecken oder von Arbeitern zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen fallen nicht unter die Anzeigepflicht. Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Auf- züge auf öffentlichen Plätzen oder Straßen bedürfen der Ge- nehmigung der Polizeibehörde. Sie darf nur versagt werden, wenn aus der Abhaltung der Versammlung oder der Veran- staltung des Aufzuges Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten ist. Der Versammlungsleiter hat für Ruhe und Ordnung zu sorgen, er kann die Versammlung auflösen. Das Tragen von Waffen in solchen Versammlungen oder Aufzügen ist im allgemeinen verboten. Die Verhandlungen sind in deutscher Sprache zu führen. Rur in den zweisprachigen Landesteilen, in denen die nichtdeutsche Bevölkerung mehr als 60 °/rt der Bewohner beträgt, kann bis 1928 (20 Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes) der Mit- gebrauch der anderen Sprache gestattet werden. Der Veranstalter ist jedoch verpflichtet, dreimal 24 Stunden vor Beginn der Polizei- behörde Anzeige zu machen und dabei anzugeben, in welcher Sprache verhandelt wird. Die Polizei darf in diese Versammlungen einen Beauftragten entsenden, der sich dem Leiter als solcher vorzustellen hat. Ihm muß ein angemessener Platz eingeräumt werden. Der Beauftragte kann die Versammlung unter folgenden Gründen auflösen:

5. Staats- und Bürgerkunde - S. 114

1910 - Wittenberg : Herrosé
114 Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird aus der Reichskaffe bestritten. Artikel 64. Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine. Artikel 55. Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarzweihrot. X. Konsulatwesen. Artikel 56. Das gesamte Konsulatwesen des Deutschen Reichs steht unter der Aufsicht des Kaisers, welcher die Konsuln, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrates für Handel und Verkehr, anstellt. Xi. Reichskriegswefen. Artikel 57. Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen. A r t i k e 1 58. Die Kosten und Lasten des gesamten Kriegs- wesens des Reichs sind von allen Bundesstaaten und ihren An- gehörigen gleichmäßig zu tragen. A r t i k e 1 59. Jeder wehrfähige Deutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, dem stehenden Heere, die folgenden fünf Lebens- jahre der Landwehr ersten Aufgebots und sodann bis zum 31. März des Kalenderjahrs, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet wird, der Landwehr zweiten Aufgebots an. Artikel 63. Die gesamte Landmacht des Reichs wird ein einheitliches Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht. A r t i k e 164. Alle deutschen Truppen sind verpflichtet, den Be- fehlen des Kaisers unbedingte Folge zu leisten. Diese Verpflich- tung ist in den Fahneneid aufzunehmen. Der Höchstkommandierende eines Kontingents, sowie alle Offi- ziere. welche Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle Festungskommandanten werden von dem Kaiser ernannt. Die von Demselben ernannten Offiziere leisten Ihm den Fahneneid. Bei Generalen und den Eeneralstellungen versehenden Offizieren innerhalb des Kontingents ist die Ernennung von der jedes- maligen Zustimmung des Kaisers abhängig zu machen. Artikel 66. Wo nicht besondere Konventionen ein anderes bestimmen, ernennen die Bundesfürsten, beziehentlich die Senate die Offiziere ihrer Kontingente. Xii. Reichsfinanzen. Artikel 69. Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushalts- etat gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatsjahres nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.

6. Staats- und Bürgerkunde - S. 115

1910 - Wittenberg : Herrosé
115 Artikel 70. Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Aus- gaben dienen zunächst die aus den Zöllen und gemeinsamen Steuern, aus dem Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen sowie aus den übrigen Verwaltungszweigen fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen. Insoweit die Ausgaben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche in Höhe des budgetmäßigen Betrags durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden. Insoweit diese Beitrüge in den Überweisungen keine Deckung finden, sind sie den Bundesstaaten am Jahresschluß in dem Maße zu erstatten, als die übrigen ordentlichen Einnahmen des Reichs dessen Bedarf übersteigen. Artikel 72. über die Verwendung aller Einnahmen des Reichs ist durch den Reichskanzler dembundesrate und dem Reichs- tage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen. A r t i k e l 73. In Fällen eines außerordentlichen Bedürf- nisses kann im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Übernahme einer Garantie zu Lasten des Reichs erfolgen. Xiv. Allgemeine Bestimmungen. Artikel 78. Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sie im Bundesrate 14 Stimmen gegen sich haben. Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche be- stimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit festgestellt sind, können nur mit Zustimmung des be- rechtigten Bundesstaates abgeändert werden. B.: Verfassung und Verwaltung von Reich und Staat. 54. Ursachen des Verfalls des alten Deutschen Reiches. 2n alter Zeit wurde der Kaiser vom ganzen Volke gewählt. Jeder hatte seinen Anteil daran. Je größer nun die Genossen- schaften wurden, um so schwieriger wurde die Wahlhandlung. Die Folge davon war, daß viele, besonders ärmere, die nicht die Mittel hatten, weite Reisen zu machen, einfach zu Hause blieben. So ging die Wahl allmählich aus den Händen des Volkes in die der Fürsten über. Das war für Kaiser und Reich eine ver- hängnisvolle Sache. Die Macht dieser Kur- und Wahlfürsten wurde zum Schaden des Reiches immer größer. Wer den Kaiser- thron erlangen wollte, mußte sich um ihre Gunst bewerben, ihnen möglichst viele Wünsche erfüllen und versprechen, kaiserliche Rechte, wie z. B. das Münzrecht, Bergwerksregal, Stadt- und Marktrecht an sie abtreten zu wollen. War ein Kaiser zu wählen, so berief der Erzbischof von Mainz als Erzkanzler des Reichs die Fürsten zur Wahlversammlung. 8*

7. Staats- und Bürgerkunde - S. 66

1910 - Wittenberg : Herrosé
66 Durch das Reichsrecht ist der König mehrere rvichiige Atachtvollkommenheiten losgeworden, die dem Deutschen Kaiser übertragen sind. (Siehe dort.) Der einzelne deutsche Staat hat zwar noch Gesandtschaften (Vertretungen), aber die Vertretung des Reichs nach außen steht doch nur dem Kaiser zu. Unser König ist unverantwortlich nach zwei Richtungen: 1. Er ist politisch unverantwortlich, d. h. er kann in keiner Weise wegen einer Regierungshandlung zur Rechenschaft gezogen werden. Der König steht über den Parteien und darf nicht in die Streitigkeiten hineingezogen werden. Daher muß der Minister die Verantwortung übernehmen und gegenzeichnen. Sonst könnte leicht die Unverantwortlichkeit zur Willkür werden. 2. Er ist strafrechtlich unverantwortlich undun- verletzlich, d. h. kein Gerichtshof kann ihn wegen irgendeiner Handlung zur Verantwortung ziehen. Dazu hat der König noch eine Reihe von Ehrenrechten: 1. den Titel „Majestät". Dieser stammt aus dem römischen Reiche. Er wurde den römischen Kaisern beigelegt und ging später auf die deutschen Kaiser über. Seit dem 16. Jahrhundert nahmen auch die Regenten der Kleinstaaten diesen Titel an. Ferner führt er die Bezeichnung „von Gottes Gnaden". Dadurch soll zum Ausdruck gebracht werden, daß der Monarch sein Recht von keinem auf der Welt ableite und nur Gott allein, d. h. seinem Gewissen, für seine Handlungen verantwortlich sei. Im Jahre 1849 wurde der Antrag gestellt, diese Bezeichnung zu streichen. Er wurde mit Recht abgelehnt. Der Ausdruck ist auf geschichtlichem Boden erwachsen und bedeutet nur, daß der König nicht „von Volkes Gnaden" König ist. Abzuweisen sind jene Vorstellungen, die mit dieser Bezeichnung eine übermenschliche Einrichtung andeuten wollen und den König zum Statthalter Gottes auf Erden machen. So war es in Frankreich zur Zeit Ludwigs Xiv. Fernere Ehrenrechte: 2. diejenigen auf bestimmte Insignien, Krone, Zepter, Reichs- apfel und Schwert; 3. Die höchsten militärischen Ehren, Hofstaat, Hofzeremonien. 4. die Fürbitte im Kirchengebei. 5. die Landestrauer beim Tode des Monarchen. Durch Gesetz vom 14. April 1903 ist dafür bestimmt: a) 14 Tage lang werden mittags die Glocken der Kirchen von 12 bis 1 Uhr geläutet. b) Vier Tage lang vom Sterbetage an und am Tage der Bei- setzung sind alle öffentliche Musik, öffentlichen Lustbarkeiten und Schauspielvorstellungen einzustellen. o) Zuwiderhandlungen werden mit 60 bis 150 Mk. bestraft.

8. Staats- und Bürgerkunde - S. 119

1910 - Wittenberg : Herrosé
119 alles, was von der alten Größe des deutschen Königtums übrig- geblieben war. Fast alle Hoheitsrechte und Machtbefugnisse waren auf die einzelnen Landesherren übergegangen. Sie regierten in ihren Ländern, ohne sich um Kaiser und Reich zu kümmern, sperrten ihre Gebiete durch Grenzzölle oder Ein- und Ausfuhr- verbote gegeneinander ab und mißbrauchten ihr Münzrecht dazu, das Reich mit wertlosen Münzen zu überschwemmen. Der Kaiser aber war außerstande, gegen jedes Unwesen dieser Art wirksam einzu- schreiten. Aus eigner Machtvollkommenheit konnte er überhaupt nichts gegen die Reichsstände unternehmen, sondern bedurfte der Zustimmung des Reichstages. Diese war jedoch nur schwer zu erreichen. Auf dem Reichstage erschienen der Kaiser und die Reichs- stände nicht mehr persönlich, wie das früher geschehen war, sondern ließen sich dort durch Gesandte vertreten. So wurde der Reichs- tag zu einer Versammlung der Abgesandten der Fürsten und Reichsstädte, die seit 1663 jahraus, jahrein in Regensburg tagte. Da die Gesandten in ihren Entschlüssen von der Anweisung ihrer Herren abhängig waren, die sie jedesmal erst einholen mußten, so läßt sich denken, wie sehr die Entscheidungen des Reichstages sich verzögerten. Die größte Verschleppung aber ward dadurch herbeigeführt, daß die Verhandlungen in drei Kollegien geschahen, dem kurfürstlichen, dem fürstlichen und dem reichsstädtischen. Waren die einzelnen Kollegien nach langen Erwägungen jedes für sich zu einem Schlüsse gekommen, so war damit noch wenig gewonnen. Denn nun kam es darauf an, aus den einzelnen Beschlüssen einen gemeinsamen Reichsbeschluß zu bilden. Führten die Verhandlungen zwischen den beiden höheren Ständen zu keinem Ergebnis, so war damit die Sache meist zu Grabe getragen; gelangten sie zu einem Einverständnis, so begannen dieselben Unterhandlungen mit den Reichsstädten. Es kam nicht selten vor, daß jedes der drei Kollegien seine besondere Meinung hatte, und dann war selbstverständlich an eine Erledigung nicht zu denken. Aber auch wenn zwei von ihnen sich einigten, kam in der Regel kein Beschluß zustande. Weder die Reichsstädte wollten sich voll den beiden höheren Ständen überstimmen lassen, noch die letzteren zugeben, daß jene mit einem von ihnen eine Mehrheit bildeten, der sich der andere zu fügen hätte. Wie langsam der Reichstag zu Regensburg seine Entschei- dungen traf, und wie erfolglos sie waren, zeigte sich deutlich zu Beginn des Siebenjährigen Krieges. Erst 1757 kam mit Hilfe französischen Goldes ein Mehrheitsbeschluß gegen Friedrich den Großen zustande, durch den die Reichserekution und dann die Reichsacht über ihn ausgesprochen wurde. Erst im Oktober 1757, nachdem der Krieg bereits länger als ein Jahr gedauert hatte, begab sich der kaiserliche Notar in die Wohnung des preußischen Gesandten zu Regensburg, um ihm jenen Beschluß auszuhändigen. Dieser aber wußte, wie wenig solche Beschlüsse zu bedeuten hatten.

9. Staats- und Bürgerkunde - S. 120

1910 - Wittenberg : Herrosé
Er machte daher mit dem kaiserlichen Notar kurzen Prozeß, in- dem er ihn einfach zur Tür hinauswarf. Während auf dem Reichstage die wichtigsten Angelegenheiten oft jahrelang verschleppt wurden oder überhaupt keine Erledigung fanden, füllte man dort die Zeit mit nichtigen Rang- und Form- streitigkeiten aus. Die kurfürstlichen Gesandten verlangten, durch Edelknaben mit goldenen Messern und Gabeln bedient zu werden, und wollten den fürstlichen nur silberne, sowie nur Bediente zu- gestehen; sie forderten am Maitage für sich sechs Maibäume und gönnten den fürstlichen bloß vier, auch nahmen sie bei ihrer An- kunft von der Stadt Regensburg ein größeres Geschenk an Wein, Früchten und Fischen in Anspruch. Bei feierlichen Gelegenheiten wollten sie auf roten Sesseln sitzen, während die fürstlichen nur grüne haben sollten. Als man sich endlich dahin geeinigt hatte, daß überall nur grüne hingestellt würden, erschien ein kurfürst- licher Gesandter in einem roten Mantel und ließ ihn während der Tafel so über den Sessel zurückfallen, daß er anscheinend auf einem rotbeschlagenen Stuhle saß; er glaubte damit, wie er an seinen Hof schrieb, den hergebrachten Vorzug der kurfürstlichen Gesandten gerettet zu haben. Auch über die Stellung der Stühle gab es einen heftigen Streit. Hatten die kurfürstlichen das Recht, sie auf den Teppich zu stellen, auf dem der kaiserliche Gesandte unter einem Baldachin saß, so beanspruchten die fürstlichen Gesandten, ihre Sessel wenigstens auf die Fransen setzen zu dürfen. Wegen eines Rangstreites, den der Gesandte eines kleinen Staates angezettelt hatte, kam es wohl vor, daß feierliche Umzüge unter- brochen werden mußten; ja, als einmal bei einem Gastmahl der württembergische Gesandte einem geistlichen Vertreter die Frau des österreichischen Gesandten weggenommen hatte, um sie zu Tisch zu führen, wurden über diesen unerhörten Fall nicht weniger als zehn Staatsschriften veröffentlicht. Einmal wäre es wegen eines derartigen Streites fast zu einem Uriege zwischen zwei Uleinstaaten gekommen. Die Reichsstände beschuldigten den Uaiser, der Uaiser die Reichsstände wegen der trübseligen Zustände im Reichstage. Von allen Seiten wuchsen die Beschwerden über die Langsamkeit und Erfolglosigkeit, über das Heranziehen unnützer Dinge, aber geändert wurde nichts. Nach sach. 57. Fürst Bismarck. Die Wiedergeburt des Deutschen Reiches bezeichnen zwei Namen: Wilhelm I. und Otto von Bismarck. Dem Werk, das jener geschaffen, hat dieser die Wege bereitet. Man kann den einen nicht nennen, ohne an den anderen zu denken. Der erste Uaiser und der erste Uanzler gehören untrennbar zusammen für alle Zukunft. Darum denkt man sie gern vom Schicksal auch

10. Staats- und Bürgerkunde - S. 121

1910 - Wittenberg : Herrosé
121 schon von aller Vergangenheit her füreinander bestimmt. Eine Sage erzählt, Prinz Wilhelm habe in Potsdam als sechsjähriger Knabe oft mit Vorliebe den schönen Garten des Kabinettsrats Mencke besucht und sich von dessen vierzehnjährigem Töchterchen Wilhelmine Märchen erzählen lassen. Eines Tages nun, als beide wieder im Garten beisammen waren, sei eine bettelnde Zigeunerin hineingekommen, habe sich erboten, dem Fräulein aus der Hand wahrzusagen, und da sie die Erlaubnis erhielt, habe sie den Ausspruch getan: „Du wirst die Mutter eines Fürsten werden. Der aber, der deinen Sohn zum Fürsten macht, wird ein Kaiser sein, und das ist dieser Prinz." Dies soll sich etwa im Zähre 1803 zugetragen haben. Drei Jahre darauf heiratete die bürgerliche Wilhelmine Mencken den altadeligen märkischen Rittergutsbesitzer Ferdinand von Bismarck auf Schön- hausen, und am 1. April 1815 kam nach mehreren anderen Kindern dieser Ehe der kleine Otto zur Welt, der jene Prophezeiung wahr machen sollte. Freilich ist sie erst bekanntgeworden, lange nachdem sie in Erfüllung gegangen war. Aber selbst als reine Erfindung offenbart die Sage das richtige Gefühl des Volkes, datz die Vereinigung der beiden Schöpfer des neuen Deutschlands nicht ein Spiel des Zufalles, sondern das notwendige Walten der Vorsehung gewesen sei. Lange währte es, bis die Zeit reif war. Das erste Mal trat Otto von Bismarck vor Prinz Wilhelm auf einem Hofball in Berlin. Der damals neunzehnjährige, hoch aufgeschossene Jüngling, soeben erst in die praktische Laufbahn des Juristen eingetreten, wurde dem fast doppelt so alten, männlich erfahrenen Königssohn vorgestellt zugleich mit einem andern an Wuchs nicht minder ansehnlichen Rechtsbeflissenen. Die außergewöhnliche Er- scheinung entlockte dem militärischen Prinzen die launige Bemerkung, die Justiz scheine sich ihre Rekruten ebenso wie diö Garde nach dem Grötzenmatz auszusuchen. Doch an Bismarck war ihm nicht bloß die hohe Gestalt aufgefallen. Der junge Mann hatte für ihn auch ein Gesicht, das man im Leben nicht so leicht vergißt. Siebzehn Jahre später begrüßte Bismarck den „Prinzen von Preußen" in Frankfurt am Main als Botschaftsrat des preußischen Gesandten am Deutschen Bundestage. Er hatte in der Zwischen- zeit die Bewirtschaftung eines väterlichen Gutes übernommen und eine geliebte Gattin heimgeführt, war als Abgeordneter seines Kreises in den Landtag gewählt und endlich als Staatsmann in den Dienst der Regierung gezogen worden. Jetzt sah der preußische Gesandte in ihm schon seinen mutmaßlichen Nachfolger und rühmte dem Prinzen dessen fertige, absonderliche Natur mit den Worten: „Er spricht stets gerade heraus, wie er denkt, geht ohne Umschweife auf sein Ziel los und weiß doch den Dingen wieder eine andere Wendung zu geben, die man gar nicht vermutete." Und wieder nach zwölf Zähren stand im Schloß Babels-
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