— 39 —
Deutschland in Wissenschaft und Kunst mit an der Spitze der gebildeten
Völker steht."
„Die Grundzüge des deutschen Volkscharakters sind: aufrichtige
Frömmigkeit, Treue und Biederkeit, Anhänglichkeit an den angestammten
Regenten, Tapferkeit, Besonnenheit, Beharrlichkeit bei Verfolgung eines ge-
steckten Zieles und ernste, gründliche Beschäftigung mit Wissenschaft und Kuust."
6. Verfassung und Ginteilnng. Seit 1671 ist das „Deutsche Reich" ein
Bundesstaat, an dessen Spitze der König von Preußen steht, welcher den
Titel „Deutscher Kaiser" führt. Die Kaiserwürde ist erblich. Der Kaiser
hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, sowie Bündnisse
und Verträge mit anderen Reichen einzugehen. Die Reichsgesetzgebung wird
ausgeübt von dem Bundesrat, welcher aus Vertretern der einzelnen deutschen
Staaten besteht, und dem Reichstage, der aus etwa 400 vom Volke gewählten
Abgeordneten zusammengesetzt ist. Der höchste Beamte des Reiches ist der
Reichskanzler.
Das Deutsche Reich besteht aus 26 einzelnen Staaten, nämlich
4 Königreichen, 6 Großherzogtümern, 5 Herzogtümern, 7 Fürstentümern,
3 Freien Städten und dem Reichsland Elsaß-Lothringen. (Merke: 1 Reichs-
land, 3 Freie Städte, 4 Königreiche, 5 Herzogtümer, 6 Großherzogtümer,
7 Fürstentümer.)
Vi. Die Staaten des Deutschen Reiches.
1. Das Königreich Preußen.
(6300 ^Meilen oder 348500 qkm und 32 Mill. Eimv.)
Preußen ist der größte Staat des Deutschen Reiches und nimmt den
größten Teil Norddeutschlands ein. Es bildet eine zusammenhängende Fläche,
von welcher mehrere kleine Staaten eingeschlossen sind. Getrennt vom Haupt-
lande gehören noch die in Süddeutschland gelegenen Hohenzollernschen Lande
dazu. Es zerfällt in 12 Provinzen.
1. Die Provin) Ostpreußen (670 ^ Mln. oder 37000 qkm und
über 2 Mill. Einw.) ist die nordöstlichste Provinz Preußens. Sie um-
faßt das Küstenland am Kurischen und Frischen Haff und grenzt an die
Ostsee, an Rußland und die Provinz Westpreußen. Sie ist zum großen Teile
eben, wird aber von dem Baltischen Landrücken, welcher die oft-
preußische Seenplatte trägt, durchzogen. Das Klima ist gesund,
aber rauher, als in irgend einem anderen deutschen Lande. Der Boden ist
größtenteils sandig und unfruchtbar. Weite Strecken sind mit Wald be-
standen. Der größte Wald ist die Johannisburger Heide im südlichen Teile
der Provinz. Im Memeldelta liegen außer üppigen Wiesen auch sumpfige
Wälder, in denen der Elch gehegt wird. Die Haupterwerbsquellen
der Bewohner sind Ackerbau und Viehzucht, an der Küste auch Fischerei.
Sehr fruchtbar ist die Tilsiter Niederung (westlich von Tilsit). Der nord-
östliche Teil Ostpreußens heißt Litauen. Die Litauer haben eine eigene
Sprache, sind wahrscheinlich slavischen Ursprungs und treiben namentlich
Pferdezucht. In ihrem Gebiete liegt auch das königliche Pferdegestüt Trakehnen.
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Reichsland_Elsaß-Lothringen Norddeutschlands Ostsee Baltischen_Landrücken Johannisburger_Heide Memeldelta Tilsit
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
Geschlecht (WdK): Mädchen
21
sich nicht als Eigentümer des Quittungsbuches ausweisen kann.
Das Buch ist kein Wertpapier, sondern nur eine Anerkenntnis der
-Kasse dem Sparenden gegenüber. Deshalb müssen alle Rechte
aus dem Buche in glaubhafter Form übertragen werden. Auch
kann der ursprüngliche Eigentümer dem neuen Erwerber insofern
die Erlangung der Einlage unmöglich machen, als er bei der
Kaffe Zahlungseinsprüche erhebt oder das Quittungsbuch „sperren"
läßt, d. h. die Kasse beauftragt, einstweilen oder auf eine bestimmte
Zahl von Jahren keine Zahlung aus der Einlage zu leisten.
Wer in die Lage kommt, ein Sparkassenbuch als Sicherheit an-
nehmen zu müssen, unterlasse wenigstens nicht, von seinem Recht
der Kasse Anzeige zu machen, unter gleichzeitiger Vorlage einer
rechtsgültigen Erklärung des bisherigen Inhabers des Buches,
wonach dieser sich aller Ansprüche aus demselben einstweilen be-
gibt. Rückzahlungen der Einlage werden bei kleinern Beträgen
sofort gegen Vorweisung des Quittungsbuches, bei größern Summen
nach vorhergegangener (gewöhnlich dreimonatlicher) Kündigung
geleistet.
Von Zeit zu Zeit ist es vorgekommen, daß falsche Gerüchte
vom Ausbruch eines Krieges an verschiedenen Orten Deutschlands
einen sinnlosen Ansturm auf die Sparkassen verursacht haben —
sinnlos, weil die Gelder nicht gefährdet waren, auch im Kriegsfall,
selbst bei einem feindlichen Einfall nicht gefährdet gewesen wären.
Rach der neuerdings durch das Haager Schiedsgericht ausdrücklich
festgelegten völkerrechtlichen Anschauung gilt in: Kriege Privat-
eigentum als ebenso unantastbar, wie z. B. alles das, was unter
dem Schutze des Roten Kreuzes steht. Alle Sparkassengelder aber
sind Privateigentum, das keine zivilisierte Nation schon allein um
ihres Ansehens willen anzutasten wagen würde. Wenn aber
schon das Privateigentum fremder Nationen als solches respektiert
wird, wieviel mehr erst das der eigenen Volksgenossen. Deshalb
muß es als der größte Unsinn bezeichnet werden, wenn jemand
der Ansicht ist, der Staat könnte die Sparkassengelder mit Beschlag
belegen und zum Kriegführen benutzen. Um für Deutschlands
Ehre dauernd und mit Nachdruck eintreten zu können, braucht und
hat unsre Regierung für die Leitung und Durchhaltung der
deutschen Wehrkraft so viel Kredit, daß sie der Sorge um ungeheure
Summen baren Geldes im Kriegsfälle überhoben ist. Darum
bleiben alle Sparkassengelder aber auch in unruhigen Zeiten am
besten dort aufgehoben, wo sie sind: in den Sparkassen, für die
je nach ihrer Art die Stadt, der Kreis, die Provinz, der Staat
Gewähr leistet.
Um. in den Kindern den Trieb der Sparsamkeit zu erwecken
und zu pflegen, bestehen an vielen Orten die sogenannten Schul-
sparkaffen. Für jede, auch die geringste Einzahlung wird dem
Kinde eine Marke in ein Buch eingeklebt. Sobald der Wert der
Marken die Höhe von einer Mark erreicht, wird er dem Kinde
gutgeschrieben und zur Verzinsung an die Kreiskasse abgeführt.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
112
Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der
Auflösung der Reichstag versammelt werden.
Artikel 26. Ohne Zustimmung des Reichstages darf die
Vertagung desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und
während derselben Session nicht wiederholt werden.
Artikel 27. Der Reichstag prüft die Legitimation seiner
Mitglieder und entscheidet darüber. Er regelt seinen Geschäfts-
gang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und erwählt
seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer.
Artikel 28. Der Reichstag beschließt mit absoluter Stim-
menmehrheit.
A r t i k e l 29. Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter
des gesamten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht ge-
bunden.
A r t i k e l 30. Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend-
einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung
seines Berufes getanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch
verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung
gezogen werden.
Artikel 31. Auf Verlangen des Reichstages wird jedes
Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Unter-
suchungs- oder Zivilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode auf-
gehoben.
Artikel 32. Die Mitglieder des Reichstages dürfen als
solche keine Besoldung beziehen. Sie erhalten als solche eine Ent-
schädigung nach Maßgabe des Gesetzes.
Vi. Zoll- und Handelswefen.
Artikel 33. Deutschland bildet ein Zoll- und Handels-
gebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze.
Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundes-
staates befindlich find, können in jeden anderen Bundesstaat ein-
geführt und dürfen in letzterem einer Abgabe nur insoweit unter-
worfen werden, als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse
einer inneren Steuer unterliegen.
Artikel 35. Das Reich ausschließlich hat die Gesetzgebung
über das gesamte Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundes-
gebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Branntweins
und Bieres und aus Rüben oder anderen inländischen Erzeug-
nissen dargestellten Zuckers und Sirups.
In Bayern, Württemberg und Baden bleibt die Besteuerung
des inländischen Branntweins und Bieres der Landsgesetzgebung
vorbehalten.
Artikel 36. Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und
Verbrauchssteuern (Art. 35) bleibt jedem Bundesstaate, soweit der-
selbe sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen.
A r t i k e l 38. Der Ertrag der Zölle und der anderen in
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Bayern Württemberg Baden
62
eine Reihe von Beschränkungen waren, die der Polizeigewall einen
weitgehenden Einfluß auf die Versammlungs- und Vereinstätigkeit
gestattete, ist durch das Reichsvereinsgesetz die Freiheit bedeutend
erweitert. Alle landesgesetzlichen Beschränkungen sind aufgehoben
und das Bereinsrecht auch den Frauen eingeräumt. Beschränkungen
erleiden nur noch die Veranstaltungen, welche mit einer Gefahr-
für Leben und Gesundheit der Teilnehmer verknüpft sind. Auf-
gelöst werden nur solche Vereine, deren Zweck den Strafgesetzen
zuwiderläuft.
Vereine, welche eine Einwirkung auf politische Angelegen-
heiten bezwecken, müssen einen Vorstand und eine Satzung haben.
Mitglieder des Vorstandes und die Satzungen sind innerhalb
14 Tagen nach der Gründung der Polizeibehörde einzureichen,
die eine Bescheinigung darüber erteilt. Ebenso sind alle Änderungen
der Statuten anzuzeigen. Satzungen und Änderungen müssen
in deutscher Sprache abgefaßt sein.
Wenn in Wahlzeiten eine Gruppe von Leuten zusammen-
tritt zur Förderung der Wahl, so ist das kein politischer Verein.
Jede politische Versammlung muß entweder 24 Stunden
vorher der Polizeiverwaltung angezeigt, oder durch öffentliche
Anzeige in der Zeitung oder durch Anschlag bekanntgegeben sein.
Zeit und Ort der Versammlung sind genau zu bestimmen.
Besprechungen zu Wahlzwecken oder von Arbeitern zum
Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen
fallen nicht unter die Anzeigepflicht.
Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Auf-
züge auf öffentlichen Plätzen oder Straßen bedürfen der Ge-
nehmigung der Polizeibehörde. Sie darf nur versagt werden,
wenn aus der Abhaltung der Versammlung oder der Veran-
staltung des Aufzuges Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu
befürchten ist.
Der Versammlungsleiter hat für Ruhe und Ordnung zu
sorgen, er kann die Versammlung auflösen.
Das Tragen von Waffen in solchen Versammlungen oder
Aufzügen ist im allgemeinen verboten.
Die Verhandlungen sind in deutscher Sprache zu führen.
Rur in den zweisprachigen Landesteilen, in denen die nichtdeutsche
Bevölkerung mehr als 60 °/rt der Bewohner beträgt, kann bis
1928 (20 Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes) der Mit-
gebrauch der anderen Sprache gestattet werden. Der Veranstalter ist
jedoch verpflichtet, dreimal 24 Stunden vor Beginn der Polizei-
behörde Anzeige zu machen und dabei anzugeben, in welcher
Sprache verhandelt wird.
Die Polizei darf in diese Versammlungen einen Beauftragten
entsenden, der sich dem Leiter als solcher vorzustellen hat. Ihm
muß ein angemessener Platz eingeräumt werden.
Der Beauftragte kann die Versammlung unter folgenden
Gründen auflösen:
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
114
Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der
damit zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird
aus der Reichskaffe bestritten.
Artikel 64. Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten
bilden eine einheitliche Handelsmarine.
Artikel 55. Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine
ist schwarzweihrot.
X. Konsulatwesen.
Artikel 56. Das gesamte Konsulatwesen des Deutschen
Reichs steht unter der Aufsicht des Kaisers, welcher die Konsuln,
nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrates für Handel und
Verkehr, anstellt.
Xi. Reichskriegswefen.
Artikel 57. Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich
in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen.
A r t i k e 1 58. Die Kosten und Lasten des gesamten Kriegs-
wesens des Reichs sind von allen Bundesstaaten und ihren An-
gehörigen gleichmäßig zu tragen.
A r t i k e 1 59. Jeder wehrfähige Deutsche gehört sieben Jahre
lang, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden
28. Lebensjahre, dem stehenden Heere, die folgenden fünf Lebens-
jahre der Landwehr ersten Aufgebots und sodann bis zum 31. März
des Kalenderjahrs, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet wird,
der Landwehr zweiten Aufgebots an.
Artikel 63. Die gesamte Landmacht des Reichs wird ein
einheitliches Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem
Befehle des Kaisers steht.
A r t i k e 164. Alle deutschen Truppen sind verpflichtet, den Be-
fehlen des Kaisers unbedingte Folge zu leisten. Diese Verpflich-
tung ist in den Fahneneid aufzunehmen.
Der Höchstkommandierende eines Kontingents, sowie alle Offi-
ziere. welche Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und
alle Festungskommandanten werden von dem Kaiser ernannt. Die
von Demselben ernannten Offiziere leisten Ihm den Fahneneid.
Bei Generalen und den Eeneralstellungen versehenden Offizieren
innerhalb des Kontingents ist die Ernennung von der jedes-
maligen Zustimmung des Kaisers abhängig zu machen.
Artikel 66. Wo nicht besondere Konventionen ein anderes
bestimmen, ernennen die Bundesfürsten, beziehentlich die Senate
die Offiziere ihrer Kontingente.
Xii. Reichsfinanzen.
Artikel 69. Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs
müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushalts-
etat gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatsjahres
nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
115
Artikel 70. Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Aus-
gaben dienen zunächst die aus den Zöllen und gemeinsamen
Steuern, aus dem Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen sowie
aus den übrigen Verwaltungszweigen fließenden gemeinschaftlichen
Einnahmen. Insoweit die Ausgaben durch diese Einnahmen nicht
gedeckt werden, sind sie durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten
nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche in Höhe
des budgetmäßigen Betrags durch den Reichskanzler ausgeschrieben
werden. Insoweit diese Beitrüge in den Überweisungen keine
Deckung finden, sind sie den Bundesstaaten am Jahresschluß in
dem Maße zu erstatten, als die übrigen ordentlichen Einnahmen
des Reichs dessen Bedarf übersteigen.
Artikel 72. über die Verwendung aller Einnahmen des
Reichs ist durch den Reichskanzler dembundesrate und dem Reichs-
tage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen.
A r t i k e l 73. In Fällen eines außerordentlichen Bedürf-
nisses kann im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer
Anleihe, sowie die Übernahme einer Garantie zu Lasten des Reichs
erfolgen.
Xiv. Allgemeine Bestimmungen.
Artikel 78. Veränderungen der Verfassung erfolgen im
Wege der Gesetzgebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sie im
Bundesrate 14 Stimmen gegen sich haben.
Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche be-
stimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur
Gesamtheit festgestellt sind, können nur mit Zustimmung des be-
rechtigten Bundesstaates abgeändert werden.
B.: Verfassung und Verwaltung von Reich und Staat.
54. Ursachen des Verfalls des alten Deutschen
Reiches.
2n alter Zeit wurde der Kaiser vom ganzen Volke gewählt.
Jeder hatte seinen Anteil daran. Je größer nun die Genossen-
schaften wurden, um so schwieriger wurde die Wahlhandlung.
Die Folge davon war, daß viele, besonders ärmere, die nicht die
Mittel hatten, weite Reisen zu machen, einfach zu Hause blieben. So
ging die Wahl allmählich aus den Händen des Volkes in die
der Fürsten über. Das war für Kaiser und Reich eine ver-
hängnisvolle Sache. Die Macht dieser Kur- und Wahlfürsten
wurde zum Schaden des Reiches immer größer. Wer den Kaiser-
thron erlangen wollte, mußte sich um ihre Gunst bewerben, ihnen
möglichst viele Wünsche erfüllen und versprechen, kaiserliche Rechte,
wie z. B. das Münzrecht, Bergwerksregal, Stadt- und Marktrecht
an sie abtreten zu wollen.
War ein Kaiser zu wählen, so berief der Erzbischof von Mainz
als Erzkanzler des Reichs die Fürsten zur Wahlversammlung.
8*
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen]]
66
Durch das Reichsrecht ist der König mehrere rvichiige
Atachtvollkommenheiten losgeworden, die dem Deutschen Kaiser
übertragen sind. (Siehe dort.)
Der einzelne deutsche Staat hat zwar noch Gesandtschaften
(Vertretungen), aber die Vertretung des Reichs nach außen steht
doch nur dem Kaiser zu.
Unser König ist unverantwortlich nach zwei Richtungen:
1. Er ist politisch unverantwortlich, d. h. er kann in
keiner Weise wegen einer Regierungshandlung zur Rechenschaft
gezogen werden.
Der König steht über den Parteien und darf nicht in die
Streitigkeiten hineingezogen werden. Daher muß der Minister
die Verantwortung übernehmen und gegenzeichnen. Sonst könnte
leicht die Unverantwortlichkeit zur Willkür werden.
2. Er ist strafrechtlich unverantwortlich undun-
verletzlich, d. h. kein Gerichtshof kann ihn wegen irgendeiner
Handlung zur Verantwortung ziehen.
Dazu hat der König noch eine Reihe von Ehrenrechten:
1. den Titel „Majestät". Dieser stammt aus dem römischen
Reiche. Er wurde den römischen Kaisern beigelegt und ging
später auf die deutschen Kaiser über. Seit dem 16. Jahrhundert
nahmen auch die Regenten der Kleinstaaten diesen Titel an.
Ferner führt er die Bezeichnung „von Gottes Gnaden".
Dadurch soll zum Ausdruck gebracht werden, daß der Monarch
sein Recht von keinem auf der Welt ableite und nur Gott allein,
d. h. seinem Gewissen, für seine Handlungen verantwortlich sei.
Im Jahre 1849 wurde der Antrag gestellt, diese Bezeichnung zu
streichen. Er wurde mit Recht abgelehnt. Der Ausdruck ist auf
geschichtlichem Boden erwachsen und bedeutet nur, daß der König
nicht „von Volkes Gnaden" König ist. Abzuweisen sind jene
Vorstellungen, die mit dieser Bezeichnung eine übermenschliche
Einrichtung andeuten wollen und den König zum Statthalter
Gottes auf Erden machen. So war es in Frankreich zur Zeit
Ludwigs Xiv.
Fernere Ehrenrechte:
2. diejenigen auf bestimmte Insignien, Krone, Zepter, Reichs-
apfel und Schwert;
3. Die höchsten militärischen Ehren, Hofstaat, Hofzeremonien.
4. die Fürbitte im Kirchengebei.
5. die Landestrauer beim Tode des Monarchen. Durch
Gesetz vom 14. April 1903 ist dafür bestimmt:
a) 14 Tage lang werden mittags die Glocken der Kirchen
von 12 bis 1 Uhr geläutet.
b) Vier Tage lang vom Sterbetage an und am Tage der Bei-
setzung sind alle öffentliche Musik, öffentlichen Lustbarkeiten
und Schauspielvorstellungen einzustellen.
o) Zuwiderhandlungen werden mit 60 bis 150 Mk. bestraft.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten]]
Extrahierte Personennamen: Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Gottes Frankreich Ludwigs_Xiv
119
alles, was von der alten Größe des deutschen Königtums übrig-
geblieben war. Fast alle Hoheitsrechte und Machtbefugnisse
waren auf die einzelnen Landesherren übergegangen. Sie regierten
in ihren Ländern, ohne sich um Kaiser und Reich zu kümmern,
sperrten ihre Gebiete durch Grenzzölle oder Ein- und Ausfuhr-
verbote gegeneinander ab und mißbrauchten ihr Münzrecht dazu,
das Reich mit wertlosen Münzen zu überschwemmen. Der Kaiser
aber war außerstande, gegen jedes Unwesen dieser Art wirksam einzu-
schreiten. Aus eigner Machtvollkommenheit konnte er überhaupt
nichts gegen die Reichsstände unternehmen, sondern bedurfte der
Zustimmung des Reichstages. Diese war jedoch nur schwer zu
erreichen.
Auf dem Reichstage erschienen der Kaiser und die Reichs-
stände nicht mehr persönlich, wie das früher geschehen war, sondern
ließen sich dort durch Gesandte vertreten. So wurde der Reichs-
tag zu einer Versammlung der Abgesandten der Fürsten und
Reichsstädte, die seit 1663 jahraus, jahrein in Regensburg tagte.
Da die Gesandten in ihren Entschlüssen von der Anweisung ihrer
Herren abhängig waren, die sie jedesmal erst einholen mußten,
so läßt sich denken, wie sehr die Entscheidungen des Reichstages
sich verzögerten. Die größte Verschleppung aber ward dadurch
herbeigeführt, daß die Verhandlungen in drei Kollegien geschahen,
dem kurfürstlichen, dem fürstlichen und dem reichsstädtischen.
Waren die einzelnen Kollegien nach langen Erwägungen jedes
für sich zu einem Schlüsse gekommen, so war damit noch wenig
gewonnen. Denn nun kam es darauf an, aus den einzelnen
Beschlüssen einen gemeinsamen Reichsbeschluß zu bilden. Führten
die Verhandlungen zwischen den beiden höheren Ständen zu
keinem Ergebnis, so war damit die Sache meist zu Grabe getragen;
gelangten sie zu einem Einverständnis, so begannen dieselben
Unterhandlungen mit den Reichsstädten. Es kam nicht selten vor,
daß jedes der drei Kollegien seine besondere Meinung hatte, und
dann war selbstverständlich an eine Erledigung nicht zu denken.
Aber auch wenn zwei von ihnen sich einigten, kam in der Regel
kein Beschluß zustande. Weder die Reichsstädte wollten sich voll
den beiden höheren Ständen überstimmen lassen, noch die letzteren
zugeben, daß jene mit einem von ihnen eine Mehrheit bildeten,
der sich der andere zu fügen hätte.
Wie langsam der Reichstag zu Regensburg seine Entschei-
dungen traf, und wie erfolglos sie waren, zeigte sich deutlich zu
Beginn des Siebenjährigen Krieges. Erst 1757 kam mit Hilfe
französischen Goldes ein Mehrheitsbeschluß gegen Friedrich den
Großen zustande, durch den die Reichserekution und dann die
Reichsacht über ihn ausgesprochen wurde. Erst im Oktober 1757,
nachdem der Krieg bereits länger als ein Jahr gedauert hatte,
begab sich der kaiserliche Notar in die Wohnung des preußischen
Gesandten zu Regensburg, um ihm jenen Beschluß auszuhändigen.
Dieser aber wußte, wie wenig solche Beschlüsse zu bedeuten hatten.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Er machte daher mit dem kaiserlichen Notar kurzen Prozeß, in-
dem er ihn einfach zur Tür hinauswarf.
Während auf dem Reichstage die wichtigsten Angelegenheiten
oft jahrelang verschleppt wurden oder überhaupt keine Erledigung
fanden, füllte man dort die Zeit mit nichtigen Rang- und Form-
streitigkeiten aus. Die kurfürstlichen Gesandten verlangten, durch
Edelknaben mit goldenen Messern und Gabeln bedient zu werden,
und wollten den fürstlichen nur silberne, sowie nur Bediente zu-
gestehen; sie forderten am Maitage für sich sechs Maibäume und
gönnten den fürstlichen bloß vier, auch nahmen sie bei ihrer An-
kunft von der Stadt Regensburg ein größeres Geschenk an Wein,
Früchten und Fischen in Anspruch. Bei feierlichen Gelegenheiten
wollten sie auf roten Sesseln sitzen, während die fürstlichen nur
grüne haben sollten. Als man sich endlich dahin geeinigt hatte,
daß überall nur grüne hingestellt würden, erschien ein kurfürst-
licher Gesandter in einem roten Mantel und ließ ihn während
der Tafel so über den Sessel zurückfallen, daß er anscheinend auf
einem rotbeschlagenen Stuhle saß; er glaubte damit, wie er an
seinen Hof schrieb, den hergebrachten Vorzug der kurfürstlichen
Gesandten gerettet zu haben. Auch über die Stellung der Stühle
gab es einen heftigen Streit. Hatten die kurfürstlichen das Recht,
sie auf den Teppich zu stellen, auf dem der kaiserliche Gesandte
unter einem Baldachin saß, so beanspruchten die fürstlichen
Gesandten, ihre Sessel wenigstens auf die Fransen setzen zu dürfen.
Wegen eines Rangstreites, den der Gesandte eines kleinen Staates
angezettelt hatte, kam es wohl vor, daß feierliche Umzüge unter-
brochen werden mußten; ja, als einmal bei einem Gastmahl der
württembergische Gesandte einem geistlichen Vertreter die Frau
des österreichischen Gesandten weggenommen hatte, um sie zu
Tisch zu führen, wurden über diesen unerhörten Fall nicht weniger
als zehn Staatsschriften veröffentlicht. Einmal wäre es wegen
eines derartigen Streites fast zu einem Uriege zwischen zwei
Uleinstaaten gekommen.
Die Reichsstände beschuldigten den Uaiser, der Uaiser die
Reichsstände wegen der trübseligen Zustände im Reichstage. Von
allen Seiten wuchsen die Beschwerden über die Langsamkeit und
Erfolglosigkeit, über das Heranziehen unnützer Dinge, aber geändert
wurde nichts. Nach sach.
57. Fürst Bismarck.
Die Wiedergeburt des Deutschen Reiches bezeichnen zwei
Namen: Wilhelm I. und Otto von Bismarck. Dem Werk, das
jener geschaffen, hat dieser die Wege bereitet. Man kann den
einen nicht nennen, ohne an den anderen zu denken. Der erste
Uaiser und der erste Uanzler gehören untrennbar zusammen für
alle Zukunft. Darum denkt man sie gern vom Schicksal auch
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Wilhelm_I. Otto_von_Bismarck Otto
121
schon von aller Vergangenheit her füreinander bestimmt. Eine
Sage erzählt, Prinz Wilhelm habe in Potsdam als sechsjähriger
Knabe oft mit Vorliebe den schönen Garten des Kabinettsrats
Mencke besucht und sich von dessen vierzehnjährigem Töchterchen
Wilhelmine Märchen erzählen lassen. Eines Tages nun, als
beide wieder im Garten beisammen waren, sei eine bettelnde
Zigeunerin hineingekommen, habe sich erboten, dem Fräulein aus
der Hand wahrzusagen, und da sie die Erlaubnis erhielt, habe
sie den Ausspruch getan: „Du wirst die Mutter eines Fürsten
werden. Der aber, der deinen Sohn zum Fürsten macht, wird
ein Kaiser sein, und das ist dieser Prinz." Dies soll sich
etwa im Zähre 1803 zugetragen haben. Drei Jahre darauf
heiratete die bürgerliche Wilhelmine Mencken den altadeligen
märkischen Rittergutsbesitzer Ferdinand von Bismarck auf Schön-
hausen, und am 1. April 1815 kam nach mehreren anderen
Kindern dieser Ehe der kleine Otto zur Welt, der jene Prophezeiung
wahr machen sollte. Freilich ist sie erst bekanntgeworden, lange
nachdem sie in Erfüllung gegangen war. Aber selbst als reine
Erfindung offenbart die Sage das richtige Gefühl des Volkes,
datz die Vereinigung der beiden Schöpfer des neuen Deutschlands
nicht ein Spiel des Zufalles, sondern das notwendige Walten
der Vorsehung gewesen sei.
Lange währte es, bis die Zeit reif war. Das erste Mal
trat Otto von Bismarck vor Prinz Wilhelm auf einem Hofball
in Berlin. Der damals neunzehnjährige, hoch aufgeschossene
Jüngling, soeben erst in die praktische Laufbahn des Juristen
eingetreten, wurde dem fast doppelt so alten, männlich erfahrenen
Königssohn vorgestellt zugleich mit einem andern an Wuchs nicht
minder ansehnlichen Rechtsbeflissenen. Die außergewöhnliche Er-
scheinung entlockte dem militärischen Prinzen die launige Bemerkung,
die Justiz scheine sich ihre Rekruten ebenso wie diö Garde nach
dem Grötzenmatz auszusuchen. Doch an Bismarck war ihm nicht
bloß die hohe Gestalt aufgefallen. Der junge Mann hatte für
ihn auch ein Gesicht, das man im Leben nicht so leicht vergißt.
Siebzehn Jahre später begrüßte Bismarck den „Prinzen von
Preußen" in Frankfurt am Main als Botschaftsrat des preußischen
Gesandten am Deutschen Bundestage. Er hatte in der Zwischen-
zeit die Bewirtschaftung eines väterlichen Gutes übernommen und
eine geliebte Gattin heimgeführt, war als Abgeordneter seines
Kreises in den Landtag gewählt und endlich als Staatsmann
in den Dienst der Regierung gezogen worden. Jetzt sah der
preußische Gesandte in ihm schon seinen mutmaßlichen Nachfolger
und rühmte dem Prinzen dessen fertige, absonderliche Natur mit
den Worten: „Er spricht stets gerade heraus, wie er denkt, geht
ohne Umschweife auf sein Ziel los und weiß doch den Dingen
wieder eine andere Wendung zu geben, die man gar nicht
vermutete."
Und wieder nach zwölf Zähren stand im Schloß Babels-
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung]]
TM Hauptwörter (200): [T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder], T61: [Wilhelm Friedrich Prinz König Luise Jahr Königin Gemahlin Prinzessin Kaiser], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm Wilhelm Wilhelmine_Märchen Wilhelmine_Mencken Ferdinand_von_Bismarck Ferdinand Otto Otto_von_Bismarck Otto Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Potsdam Deutschlands Berlin Frankfurt_am_Main